#3 Können Pferde Menschen lesen?

Shownotes

“Mein Pferd ist mein Therapeut” liest man gerne auf T-Shirts. Aber wie gut sind Pferde wirklich darin, menschliche Emotionen zu erkennen? Das haben sich auch Forschende bereits gefragt. Deswegen erzählen wir euch in dieser Folge ein wenig über die Studienlage und unsere eigenen Erfahrungen dazu, wie gut Pferde unsere Emotionen verstehen und lesen können.

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Die genannten Studien aus der Folge:

Smith, Amy & Proops, Leanne & Grounds, Kate & Wathan, Jen & McComb, Karen. (2016). Functionally relevant responses to human facial expressions of emotion in the domestic horse (Equus caballus). Biology Letters. 12. 10.1098/rsbl.2015.0907.

https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsbl.2015.0907

Markies, Katrina & Sudarenko, Juliia & Hodder, Abigail J. (2022). Can ponies (Equus Caballus) distinguish human facial expressions? Animals 2022, 12(18), 2331; https://doi.org/10.3390/ani12182331

https://www.mdpi.com/2076-2615/12/18/2331

Trösch M, Cuzol F, Parias C, Calandreau L, Nowak R, Lansade L. Horses Categorize Human Emotions Cross-Modally Based on Facial Expression and Non-Verbal Vocalizations. Animals (Basel). 2019 Oct 24;9(11):862. doi: 10.3390/ani9110862. PMID: 31653088; PMCID: PMC6912773.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6912773/#:~:text=%5B36%5D%2C%20horses%20responded%20more,seen%20%5B46%2C47%5D.

Transkript anzeigen

00:00:00: „Psycholohü, der Podcast über Pferde und

00:00:02: Psychologie von Carina Warnstädt und Lea Schneider.

00:00:05: Hallo. Hallo.

00:00:07: Herzlich willkommen zu unserer dritten Folge von „Psycholo-Hü.

00:00:11: Wie bereits in unserer Vorstellungsfolge angekündigt, soll es auch mal die eine

00:00:15: oder andere Studie geben und heute gibt es die Erste davon.

00:00:19: Keine Sorge, es ist ein spannendes Thema und das auch praxisrelevant ist und wir

00:00:23: versuchen, euch das möglichst kurz und knapp näherzubringen.

00:00:26: Carina, erzähl doch mal, welche Studie soll es denn heute gehen?

00:00:30: Ja, die Studie heißt „Functionally Relevant Responses to Human Facial

00:00:35: Expressions of Emotion in the Domestic Horses.

00:00:38: Also auf Deutsch "die relevanten Reaktionen auf menschliche

00:00:42: Emotionsausdrücke von unseren domestizierten Pferden".

00:00:45: Klingt jetzt ein bisschen gestelzt, aber genau das ist auch das Thema.

00:00:48: Also wurde untersucht, ob Pferde spontan

00:00:51: auf Emotionsausdrücke auf menschlichen Gesichtern unterschiedlich reagieren, auf

00:00:55: positive und auf negative Emotionsausdrücke.

00:00:57: Das ist ja was, was so im Alltag, im

00:01:00: alltäglichen Umgang gar nicht mal irrelevant ist.

00:01:02: Erklär uns doch gerne mal, wie das Ganze untersucht wurde.

00:01:06: Ja, sehr gerne.

00:01:08: Also für die Untersuchung hat man Fotos von Menschen verwendet.

00:01:12: Das waren standardisierte Fotos,

00:01:14: vier Stück insgesamt, zwei positive und zwei negative.

00:01:18: Und diese Fotos wurden in Din-A3-Größe

00:01:21: ausgedruckt und den Pferden dann insgesamt 30 Sekunden präsentiert.

00:01:26: Das Foto stand dann so einen Meter von dem Pferd entfernt.

00:01:29: Das Pferd quasi frontal davor, oder die

00:01:31: Pferde vielmehr, es waren mehrere Pferde natürlich.

00:01:34: Und das Bild wurde dann zehn Sekunden in

00:01:36: der ersten Position gezeigt, dann wurde es noch mal näher ran geschoben, zehn

00:01:41: Sekunden gezeigt und wieder in die Ursprungsposition

00:01:44: zurückgeschoben und wieder zehn Sekunden gezeigt.

00:01:46: Und dann wurde eben untersucht oder

00:01:49: aufgenommen, wie die Pferde reagiert haben.

00:01:52: Einerseits ging es darum, welche Blickrichtung das Pferd hat und

00:01:56: andererseits auch, wie die Herzfrequenz des Pferdes war.

00:02:00: Was waren das denn für Fotos, die die Pferde gezeigt bekommen haben?

00:02:03: Du hast ja schon gesagt, es gab positive und negative Ausdrücke, aber vielleicht

00:02:06: kannst du das noch ein bisschen genauer erklären.

00:02:09: Ja, ich glaube, das ist eine gute Idee.

00:02:10: Also positiv und negativ war einmal das Positive, die fröhliche Emotion,

00:02:17: und bei dem Negativen hatten wir eine wütende Emotion.

00:02:20: Und wie ich schon gesagt habe, es waren

00:02:21: insgesamt vier Bilder, zwei fröhliche, zwei wütende.

00:02:25: Es waren nur Männer.

00:02:26: Also das ist vielleicht am Rande mal ganz interessant zu wissen, dass keine

00:02:30: Variabilität zwischen den Geschlechtern untersucht wurde, sondern eben nur

00:02:35: männliche Personen auf den Bildern zu sehen waren.

00:02:37: Und was ich ganz spannend fand, war, die Emotionsausdrücke waren für unser

00:02:43: menschliches Empfinden ziemlich überzeichnet.

00:02:45: Also auf allen Bildern wurden die Zähne gezeigt.

00:02:48: Das heißt auch, dass eben nicht jetzt das Fröhliche nur über das Zähnezeigen, das

00:02:53: Lachen symbolisiert wurde, sondern auch das Wütende mit Zähnezeigen

00:02:58: assoziiert war, nur eben in unterschiedlicher Form.

00:03:01: Und es waren jetzt keine sehr subtilen Emotionsausdrücke auf den

00:03:05: menschlichen Gesichtern, sondern wirklich schon sehr deutliche.

00:03:08: Das ist, glaube ich, ganz interessant zu wissen.

00:03:10: Ja, jetzt wissen wir, wie die Studie abgelaufen ist.

00:03:12: Vielleicht kannst du uns ein bisschen von dem Ergebnis berichten.

00:03:15: Was ist denn bei dieser Studie herausgekommen?

00:03:18: Ja, zum Ergebnis ist eigentlich erst mal spannend zu sagen oder vielleicht noch mal

00:03:23: spannend zu erklären, dass eben die Lateralisierung untersucht wurde.

00:03:28: Ich weiß nicht, ob das jedem was sagt.

00:03:30: Lateralisierung bedeutet im Grunde erst mal, dass wir davon ausgehen oder wir

00:03:34: wissen, dass das linke Auge mit der rechten Gehirnhälfte

00:03:38: verbunden ist und das rechte Auge mit der linken Gehirnhälfte.

00:03:40: Das ist bei uns genauso wie beim Pferd.

00:03:42: Wir gehen aber davon aus, dass deswegen,

00:03:45: weil in der rechten Gehirnhälfte negative Reize verarbeitet werden, das Pferd

00:03:50: häufiger negative Reize über das linke Auge wahrnimmt, also sich bewusst so

00:03:56: dreht, dass es gruselige oder einfach negative Dinge mit dem linken Auge sieht.

00:04:02: Das wurde hier untersucht und es wurde

00:04:03: eben auch tatsächlich herausgefunden, dass die Pferde wirklich signifikant länger und

00:04:10: häufiger mit dem linken Auge auf die negativen Reize schaut.

00:04:14: Das kann man umgekehrt mit dem rechten Auge nicht so oft sehen.

00:04:18: Das war auch in der Studie nicht aufzeigbar.

00:04:21: Es war zwar in der Vergangenheit in

00:04:23: anderen Studien immer mal ein Thema, das man herausfinden wollte: Schauen sich

00:04:27: Pferde auch mit dem rechten Auge eher positive Dinge an?

00:04:30: Da sind die Ergebnisse aber einfach sehr inkonsistent.

00:04:32: Also das kann man so nicht sagen, aber die Lateralisierung mit dem linken Auge, das

00:04:37: sieht man eben häufiger in Studien und wurde auch hier deutlich gezeigt.

00:04:40: Und das andere, was eben untersucht wurde, war der Herzschlag.

00:04:43: Und auch da konnten sich wirklich signifikante Ergebnisse finden lassen,

00:04:47: denn der Herzschlag beschleunigte sich bei dem Pferd bei negativen Emotionsausdrücken

00:04:53: schneller als bei positiven Emotionsausdrücken.

00:04:55: Es wurde dann aber natürlich auch noch geschaut, wie schnell

00:05:00: Wo kommt der Herzschlag wieder in den Normalzustand zurück und auch, wo ist der

00:05:04: maximale Ausschlag des Herzschlags, der Herzfrequenz?

00:05:07: Und das, muss man sagen, wurde beides nicht signifikant von den

00:05:13: Emotionsausdrücken, die das Pferd betrachtet hat, beeinflusst.

00:05:15: Also wir haben hier zwar Ergebnisse, aber es wurde nicht all das gefunden, was man

00:05:20: sich vielleicht möglicherweise erhofft hätte am Anfang der Studie.

00:05:23: Gibt es in dem Bereich denn auch noch mehr

00:05:25: Untersuchungen oder ist das die einzige Studie zu diesem Thema?

00:05:30: Ja, also tatsächlich ist die Studie, die ich jetzt gerade kurz vorgestellt habe,

00:05:34: aus dem Jahr 2016 und das war so ziemlich die erste Studie,

00:05:38: die das untersucht hat und danach hat man das aber noch weiter untersucht.

00:05:43: Zum Beispiel wurde letztes Jahr eine Studie gemacht,

00:05:46: die sehr ähnlich ist und da kamen auch sehr ähnliche Ergebnisse raus.

00:05:50: Da war es aber so, dass anstelle der Fotos

00:05:52: eben tatsächlich echte Menschen den Pferden präsentiert wurden.

00:05:56: Das heißt, wir haben dann nicht nur den

00:05:58: Gesichtsausdruck als separates Merkmal, sondern wir haben natürlich auch

00:06:03: zwangsläufig noch andere Faktoren, die da reinspielen.

00:06:05: Andere Studien haben aber zum Beispiel auch untersucht, wie es auf Videos ist

00:06:09: oder wie Pferde darauf reagieren, wenn die Emotionen, die gezeigt werden,

00:06:14: nicht zu den auditiven Faktoren passen, die abgespielt werden.

00:06:19: Also heißt auf gut Deutsch,

00:06:21: wenn ein positiver Ausruf erklang und gleichzeitig das Pferde

00:06:27: bei einem negativen Gesichtsausdruck gesehen hat, ob es darauf anders reagiert,

00:06:31: als wenn Emotionen auf dem Gesicht und Emotionen in der Stimme zueinander passen.

00:06:36: In all diesen Studien, die ich gefunden habe, hat sich eben wirklich gezeigt, dass

00:06:40: Pferde sehr deutlich zwischen verschiedenen Emotionen unterscheiden

00:06:44: und auch in der Regel negativer auf negative Emotionen reagieren, was

00:06:49: wahrscheinlich das ist, was wir auch alle erwartet hätten,

00:06:52: aber es ist eben trotzdem spannend, das auch in Studien zu sehen.

00:06:56: Das ist auch durchaus ein wichtiger Punkt,

00:06:57: dass man nicht nur Theorien hat, sondern die auch bestätigt sind.

00:07:01: Die genannten Studien, die Quellen, die findet ihr auch in den Shownotes, wenn ihr

00:07:04: euch das noch mal genauer angucken möchtet.

00:07:07: Wir werden jetzt ein bisschen mehr darauf eingehen, wie sich das Ganze denn in der

00:07:11: Praxis zeigt, was da unsere Erfahrungen sind.

00:07:13: Also gerade die Bewertung mit dem linken und dem rechten Auge, das

00:07:17: kennt wahrscheinlich jeder nicht in dem Ausmaß, aber dass, wenn ein Pferd das von

00:07:20: der einen Seite gesehen hat und es von der anderen Seite dem gleichen

00:07:24: Gegenstand zum Beispiel begegnet, dass das eine völlig andere Reaktion sein kann.

00:07:29: Das hat wahrscheinlich auch jeder schon mal gehört.

00:07:30: Dann wird ja oft auch gesagt, das ist wie ein neuer Gegenstand.

00:07:33: Das würde ich jetzt so nicht sagen.

00:07:35: Die Hirnhälften sind ja trotzdem auch

00:07:36: verknüpft, aber die Bewertung eben ist einfach eine völlig andere, wie man jetzt

00:07:40: hier auch noch mal anhand der Studie sehen konnte.

00:07:43: Das ist sicher ganz nützlich, wenn man

00:07:45: sich das noch mal im Hinterkopf behält, dass es eben einen Unterschied gibt, je

00:07:49: nachdem, von welcher Seite das Pferd den Gegenstand betrachtet.

00:07:52: Ja, auf jeden Fall.

00:07:53: Ich habe zum Beispiel letztens auch noch so eine Erfahrung gemacht.

00:07:57: Da war ich mit einem meiner Pferde

00:07:59: spazieren und wir waren auf einem Feldweg und rechts von uns an einem anderen Feld,

00:08:06: relativ weit weg, war ein Mensch und ein Hund.

00:08:09: Das ist jetzt erst mal nichts Ungewöhnliches, das kennen meine Pferde,

00:08:11: das macht denen auch normalerweise keine Angst.

00:08:14: Aber tatsächlich war das eine Situation, wo das Pferd dann doch noch mal geguckt

00:08:18: hat und da habe ich das sehr deutlich gesehen mit dieser Lateralisierung, denn

00:08:23: das Pferd hat immer bewusst sich so gedreht, dass es den Hund und den

00:08:27: Spaziergänger wirklich mit dem linken Auge betrachten konnte.

00:08:30: Also das ist was, was man auch tatsächlich

00:08:32: einfach mal für sich beobachten kann, ob das auffällt oder nicht.

00:08:36: Denn ich zum Beispiel kannte diese

00:08:37: Lateralisierung lange nicht, muss ich ehrlich zugeben.

00:08:40: Ich kannte auch diesen Aspekt, den du eben genannt hast, dass man sagt, ist auf

00:08:44: beiden Seiten für das Pferd unterschiedlich, wenn sie ein Gegenstand

00:08:47: da sehen, aber dass die Pferde sich bewusst zur linken Seite drehen, wenn sie

00:08:51: gruselige Gegenstände oder Objekte sehen, das wusste ich lange nicht.

00:08:55: Und seit ich darauf achte, sehe ich das aber tatsächlich häufiger.

00:08:58: Ich finde das ganz spannend, wenn man das auch mal so wirklich im Alltag sieht.

00:09:02: Ja, da habe ich tatsächlich letzte Woche eine ähnliche Erfahrung gemacht.

00:09:05: Da war es kein bewusstes Hindrehen, aber da war es so, dass ich auch spazieren

00:09:09: war mit dem Pferd und wir sind am Anfang und am Ende an dem

00:09:13: gleichen Mähdrescher vorbei gegangen und am Anfang war der Mähdrescher rechts von

00:09:17: uns und das hat sie eigentlich gar nicht interessiert.

00:09:20: Sie hat ein bisschen natürlich geguckt, aber das war soweit gar kein Thema.

00:09:23: Da sind wir relativ entspannt vorbeigegangen und auf dem Rückweg sind

00:09:27: wir den gleichen Weg zurückgegangen und der Mähdrescher, das Feld war

00:09:30: dementsprechend auf der linken Seite und sie hat ganz anders reagiert.

00:09:33: Sie war deutlich angespannter, deutlich nervöser wegen diesem Mähdrescher, obwohl

00:09:37: sie den, wie gesagt, vorher schon gesehen hat und das vorher überhaupt kein Thema

00:09:41: war und sie vorher sogar näher dran war, als wir auf dem Rückweg waren, war der

00:09:44: weiter weg, aber er war eben links und das war tatsächlich einfach eine völlig andere

00:09:48: Bewertung der Situation von ihrer Seite aus.

00:09:51: Ja, spannend.

00:09:53: Vor allen Dingen, weil ihr ja davor jetzt dann auch schon gelaufen seid.

00:09:55: Man würde ja vielleicht noch denken, okay,

00:09:56: da ist Anspannung im Pferd, vielleicht bevor man losgeht oder am Anfang der

00:10:01: Strecke und die baut sich über die Bewegung ab.

00:10:03: Das ist ja auch so was, was wir häufiger sehen.

00:10:05: Dann würde man ja eher denken, zum Ende hin sind Gegenstände weniger gruselig.

00:10:10: Also sehr interessante Beobachtung, finde ich.

00:10:12: Ja, wobei da in dem Fall auch noch mal

00:10:15: wichtig ist, dass dieses Pferd ein recht passiver Stresstyp ist.

00:10:18: Also durchaus sein kann, dass sie es auf dem Hinweg genauso schon gruselig fand,

00:10:23: aber das nicht nach außen hin so gezeigt hat und dass auf dem Rückweg auf der

00:10:26: anderen Seite das Stresslevel ein ähnliches war.

00:10:29: Sie nur anders kommuniziert hat.

00:10:31: Das ist durchaus auch möglich.

00:10:33: Ja, das kann natürlich sein, das stimmt.

00:10:35: Das muss man dann natürlich immer im Kontext sehen.

00:10:37: Context is key.

00:10:38: Wie ist denn deine Erfahrung zum Thema

00:10:41: Emotionen erkennen von Pferden bei Menschen.

00:10:45: Das ist ja sicher in deinem Coaching auch nicht irrelevant.

00:10:47: Jetzt ist es ja hier recht speziell, dass es wirklich nur der Gesichtsausdruck ist.

00:10:51: Im Alltag gehört der ja sicher noch mehr zu.

00:10:53: Vielleicht hast du da Erfahrungen, über die du berichten kannst?

00:10:56: Genau, also das ist natürlich im Alltag eigentlich ein sehr komplexes Thema.

00:11:01: So plakativ, wie es in der Studie war, dass man eben nur die Gesichtsausdrücke

00:11:06: einzeln hat, das ist ja keine reale Situation.

00:11:10: Normalerweise ist das ja ein Faktor

00:11:12: beziehungsweise normalerweise kommen da ja mehrere Faktoren zusammen.

00:11:15: Wir haben den Gesichtsausdruck, wir haben den Geruch, den das Pferd wahrnehmen kann,

00:11:20: zum Beispiel über unseren Schweiß und wir haben natürlich auch die Körperhaltung.

00:11:24: Und meine Erfahrung ist, dass Pferde sehr

00:11:27: genau unsere Emotionen erkennen und dass häufig auch die subtilen

00:11:32: Emotionen sind, die, die uns vielleicht gar nicht selber so bewusst sind.

00:11:36: Das ist, glaube ich, die große Chance, aber auch die große Gefahr, die da so ein

00:11:41: bisschen im Umgang mit dem Pferd steckt, denn gerade so unterdrückt Emotionen – wir

00:11:46: hatten das ja jetzt schon letztes Mal beim Thema Angst –, die sich nicht so einfach

00:11:49: wegdrücken lässt, aber die wir trotzdem nicht immer so bewusst fühlen,

00:11:53: das sind natürlich die Emotionen, die dann auch Gefahrenpotenzial bieten, in dem

00:11:57: Sinne, dass das Pferd sehr, sehr sensibel wahrnehmen.

00:12:02: Und ich glaube, das kennt wahrscheinlich

00:12:04: grundsätzlich jeder, aber das nutzen wir natürlich auch im Coaching, weil die

00:12:07: Pferde auch emotional öffnend wirken, sagen wir.

00:12:11: Also das heißt, wir lassen uns schneller auf die Pferde ein als auf einen Menschen

00:12:16: zum Beispiel und lassen dann auch eher Emotionen zu.

00:12:19: Das ist total toll fürs Coaching, aber es

00:12:21: ist natürlich auch immer eine Gradwanderung, wenn wir mit dem Pferd uns

00:12:25: normal beschäftigen und da Emotionen eine Rolle spielen, die wir vielleicht

00:12:29: eigentlich ich gar nicht so gerne am Pferd haben.

00:12:32: Also das kenne ich zum Beispiel auch von

00:12:33: mir selber: Wenn ich einen schlechten Tag habe, dann mache ich besser nichts mit den

00:12:38: Pferden, weil das ist tatsächlich etwas, was sich sehr schnell überträgt.

00:12:41: Ich denke, das ist was, was auch viele

00:12:43: Menschen kennen und das ist auch das, was ich immer mitgebe, wenn ich unterrichte.

00:12:47: Wenn du selber an dem Tag irgendwie total unter Stress stehst oder es gerade einfach

00:12:52: eine Phase ist, in der du privat oder auf der Arbeit viel die Ohren hast und du

00:12:55: merkst, du kannst es nicht abschalten beim Pferd, dann ist es bei vielen Pferden

00:12:59: einfach sinnvoller, dann einen Tag nichts zu machen oder jemandem anders zu bitten:

00:13:04: Kannst du das Pferd vielleicht mal longieren, statt man selber

00:13:07: … Wenn man selber einfach nicht in der Verfassung ist, vernünftig und in Ruhe mit

00:13:11: dem Pferd zu arbeiten, dann kann das durchaus hilfreich sein, einfach die

00:13:14: Aufgabe abzugeben, mal einen Tag zu pausieren.

00:13:17: Das macht auch den wenigsten Pferden was.

00:13:19: Ich meine, es gibt auch Pferde, denen macht das nicht so viel.

00:13:21: Die helfen einem dann dabei, dass man runterfahren kann, mit denen man dann

00:13:25: einfach mal eine gemütliche Runde ins Gelände gehen kann.

00:13:28: Die gibt es auch, aber viele Pferde

00:13:30: vertragen den inneren Stress des Menschens eben nicht.

00:13:32: Jetzt völlig unabhängig von der Mimik, das kann ja auch nach außen gar nicht so

00:13:36: sichtbar sein, aber der Mensch merkt es selber vielleicht auch nicht.

00:13:39: Manche merken es ja auch selber, dass sie total unter Strom stehen.

00:13:42: Dann ist es durchaus sinnvoll, an dem Tag

00:13:44: halt einfach mal einen Pausentag einzulegen.

00:13:46: Aber noch mal konkret zurück zur Mimik.

00:13:49: Ich habe ja meine Ausbildung bei der Vivienne Gabor gemacht am IVK.

00:13:53: Ich weiß nicht, wer ihr schon mal

00:13:55: zugesehen habt bei der Arbeit, aber das ist ein Thema, das sie auch immer wieder

00:13:59: mit einbringt, dass man seine Mimik tatsächlich gezielt einsetzt.

00:14:03: Wer das schon mal beobachten konnte,

00:14:04: gerade bei ihr, kann man das sehr schön sehen, finde ich, dass es tatsächlich noch

00:14:08: mal einen Unterschied macht, wie ich dem Pferd begegne.

00:14:11: Wenn ich zum Beispiel weichende Übungen fordere oder wirklich eine starke Reaktion

00:14:16: fordere ins Vorwärts, zum Beispiel jetzt im Round Pen, dass es auch noch mal einen

00:14:19: Unterschied machen kann, wenn ich meine Mimik entsprechend einsetze.

00:14:22: Das war bei uns immer wieder Thema in der Ausbildung.

00:14:26: Wie gesagt, sie setzt das sehr bewusst ein

00:14:28: und da kann man den Effekt dann auch schön beobachten bei ihr.

00:14:31: Kannst du das noch ein bisschen

00:14:33: erklären, wie man das dann am besten einsetzt oder wie sie das macht?

00:14:37: Zum einen, das ist nur bedingt Mimik, aber das kann man bei gerade feinausgebildeten

00:14:42: Pferden gut sehen, dass die Blickrichtung, der Fokus schon oft reicht, zum Beispiel

00:14:48: die Hinterhand weichen zu lassen, wenn man das gezielt einsetzt.

00:14:51: Gerade bei Pferden, die das kennen, die

00:14:53: schon feiner ausgebildet sind, das reichen ja immer kleinere Signale.

00:14:56: Und zum anderen, jetzt da auf Vivian noch mal zurückzukommen oder auch auf jeden

00:15:00: anderen Menschen, der das einsetzen möchte, aber sie macht das eben bewusst.

00:15:03: Das kann konkret zum Beispiel einfach ein angespannteres, ein ernsteres Gesicht

00:15:09: sein, mit dem man dieses Signal verstärkt, bevor man vielleicht

00:15:13: seine Bewegungsrichtung dass man ein Signal mit der Gerte gibt und so weiter,

00:15:17: sondern dass man wirklich mit Mimik, diesen Blick zu verstärken, sprich

00:15:23: mehr Spannung im Gesicht, in den Gesichtsmuskeln, also

00:15:26: ein ernsteres Gesicht, dann auf die Körpersprache Ebene und zum Schluss erst

00:15:31: Richtung Gerte oder einen anderen Reiz, zum Beispiel zu gehen.

00:15:35: Das kann auch noch mal ein Zwischenschritt sein oder eben das Ganze noch mal.

00:15:40: Und unabhängig von dem, wie es beim Pferd

00:15:42: ankommt, kann das natürlich auch helfen, wenn ich gezielt Mimik einsetze, dass es

00:15:46: in mir etwas verändert, dass es mir von innen heraus ein anderes Gefühl gibt

00:15:50: und ich das gleiche Signal, die gleiche Hilfe anders gebe, weil sie mehr von innen

00:15:55: heraus kommt und nicht nur irgendwie auswendig gelernt, weil es nicht einfach

00:16:00: nur eine angewandte Hilfe ist, sondern mehr ein Gefühl.

00:16:04: Ich hoffe, man versteht ein bisschen, worauf ich hinaus möchte.

00:16:07: Ja, ich verstehe auf jeden Fall, worauf du hinaus möchtest.

00:16:10: Und ich glaube, das ist ein guter Gedanke, zumal auch bekannt ist, dass wir wenn wir

00:16:15: ein Lächeln aufsetzen, uns auch tatsächlich mit der Zeit besser fühlen.

00:16:20: Ich glaube, wir haben da zwei sehr widersprüchliche Positionen.

00:16:23: Wir haben einmal, dass wir über unsere Mimik eine Emotion auch tatsächlich

00:16:30: hervorrufen können und das unterstützen können und das bewusst einsetzen und

00:16:35: nutzen können, wenn wir mit den Pferden arbeiten.

00:16:38: Und auf der anderen Seite haben wir aber

00:16:39: das Problem, dass natürlich Emotionen, die wir zeigen, aber eigentlich nicht

00:16:45: fühlen, bei dem Pferd auch als solche häufig ankommen.

00:16:49: Also das Pferd weiß meistens –

00:16:52: ist zumindest meine Erfahrung –, wenn wir Emotionen vorspielen.

00:16:56: Das heißt, das ist immer so ein schmaler

00:16:57: Grad in meiner Welt, wo es hilft, die Emotionen,

00:17:02: ich sage mal, vorzutäuschen, damit wir sie möglichst später selber wirklich fühlen

00:17:07: und wo es wirklich mehr Sinn macht, zu sagen, es bringt jetzt gar nichts, auf der

00:17:11: Ebene weiterzuarbeiten und wir unterdrücken auch keine Emotionen oder

00:17:15: verändern sie, sondern akzeptieren, dass sie da sind und

00:17:20: ziehen daraus unsere Schlüsse und Konsequenzen und sagen eben, wie wir eben

00:17:23: schon gesagt haben, womöglich heute lasse ich es besser.

00:17:26: Ich glaube, da gibt es so die zwei Positionen und da muss man einfach einfach

00:17:30: sehr individuell schauen, was wann Sinn macht.

00:17:33: Genau, wie du schon sagst, das ist eben individuell.

00:17:36: Es hängt nun mal auch von der Situation ab.

00:17:40: Auf der einen Seite braucht manches davon

00:17:42: auch sicher einfach Übung, gerade Emotionen vorzuspielen, dass man das

00:17:47: einfach manchmal auch machen und ausprobieren und üben muss, bis man darin

00:17:51: sicher wird und es dann auch tatsächlich den Effekt hat, den man sich eigentlich

00:17:55: von Anfang an erhofft hat, dass das eben Zeit braucht.

00:17:58: Also nach dem Motto „Fake it till you make it".

00:18:00: Das dauert manchmal ja nun mal auch, bis das dann wirklich angekommen ist.

00:18:05: Und zum anderen ist ja auch ein bisschen

00:18:07: die Frage: Was ist jetzt gerade mein Ziel in der Arbeit mit dem Pferd?

00:18:11: Geht es gerade da drum, an mir zu arbeiten?

00:18:15: Dann wäre es natürlich eher Blödsinn, irgendwelche Emotionen vorzuspielen.

00:18:20: Dann ist es sicher hilfreicher, wenn man wirklich an den echten Emotionen arbeitet,

00:18:25: gerade in einem Coaching-Kontext zum Beispiel.

00:18:28: Oder geht es darum, dass mein Pferd gerade eine Hilfe von mir braucht, dass gerade

00:18:32: das Pferd im Fokus steht, wie ich dem helfen kann.

00:18:35: Und dann kann es durchaus auch mal hilfreich sein, da über seinen eigenen

00:18:39: Schatten zu springen und sich ein bisschen, ich will nicht sagen,

00:18:41: verstellen, aber da das gezielt einzusetzen.

00:18:46: Genau, ich glaube, das ist das, was wir einfach unterscheiden müssen.

00:18:48: Es geht nicht darum, sich zu verstellen oder irgendwas

00:18:51: wirklich in dem Sinne vorzuspielen, dass man meint, man kann das Pferd täuschen,

00:18:56: sondern ich glaube, wo wir uns da bewegen, ist so eine Ebene, wo wir unsere Emotionen

00:19:01: regulieren können und Emotionsarbeit machen.

00:19:04: Also es ist ja nichts Schlimmes, wenn wir unsere Emotionen so gut kennen, verstehen

00:19:09: und nutzen können, dass wir das Ganze verändern können in der Situation.

00:19:14: Ich glaube, das ist vielleicht das, wie man es am besten erklären kann.

00:19:17: Es geht nicht darum, dem Pferd etwas

00:19:19: vorzuspielen, sondern wenn wir uns so weit kennen und verstehen, dass wir das aktiv

00:19:25: nutzen können, dann kann es eine Hilfe im Pferdetraining sein.

00:19:28: Würdest du da mitgehen oder Oder war das schlecht erklärt?

00:19:31: Nein, auf jeden Fall.

00:19:32: Ich finde, das war eine sehr gute Erklärung.

00:19:34: Das ist genau der Punkt: Wie kann es mir

00:19:36: vielleicht nutzen in Bezug auf das Pferd oder auch natürlich auf mich selber?

00:19:41: Ja, das sind ja immer die zwei Seiten.

00:19:43: Ich denke, wir dürfen da an uns arbeiten und dann hilft das fürs Pferd.

00:19:49: Und wenn wir mit dem Pferd arbeiten, hilft uns das auch wieder für uns.

00:19:51: Das ist das Schöne daran, wenn wir mit den Pferden arbeiten.

00:19:55: Genau, das ist ein ewiger Kreislauf und

00:19:57: dann ist ein bisschen die Frage: Bei wem kann man gerade zuerst ansetzen?

00:20:03: Was fällt vielleicht auch einfach leichter?

00:20:06: Was ist die kleinere Hürde?

00:20:07: Und wie so immer, es gibt nicht den einen Weg.

00:20:10: Es ist für jeden ein individueller Weg,

00:20:13: eine individuelle Situation, wo man halt immer entscheiden muss, was

00:20:17: passt gerade in dem Moment, an dem Tag für diesen Menschen und dieses Pferd.

00:20:21: Das kann morgen schon wieder völlig anders

00:20:23: aussehen, das kann mit einem anderen Pferd wieder völlig anders aussehen oder das

00:20:26: gleiche Pferd reagiert mit einem anderen Menschen schon wieder ganz anders ist.

00:20:30: Und das ist, glaube ich, das, was uns

00:20:31: beiden auch immer wichtig ist, immer zu gucken, wie passt es jetzt gerade in

00:20:36: dieser Situation bei diesem Menschen mit diesem Pferd?

00:20:39: Ja, exakt.

00:20:40: Obwohl das natürlich leider immer die

00:20:42: unbefriedigende Antwort ist, dass man immer nur sagen kann: Es kommt drauf an.

00:20:47: Ja, das ist auch meine Lieblingsantwort,

00:20:48: wenn mich jemand fragt: „Was tue ich bei ….

00:20:50: Genau, es kommt drauf an.

00:20:53: Ja, damit haben wir doch ein sehr schönes Schlusswort gefunden.

00:20:56: Ja, ich denke auch und ich hoffe, dass ihr

00:20:59: in zwei Wochen auch wieder dabei seid, wenn die nächste Folge kommt.

00:21:03: Bis dahin findet ihr, wie schon gesagt, alle Informationen zu den genannten

00:21:08: Studien, aber auch zu uns in den Show Notes.

00:21:11: Und wir freuen uns, wenn ihr uns Feedback gebt, bewertet, abonniert

00:21:15: oder auch einfach mal einen Kommentar bei Instagram dalasst.

00:21:18: Bis zum nächsten Mal.

00:21:19: Tschüss. Tschüss!

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